geschlechtsANPASSUNG: verstoß gegen die menschenWÜRDE, selbstbestimmung, (...)

Zwitter-Prozess: Ärzte unter Druck

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Der Prozess am 12.12.2007 am Landgericht inKöln, wo die zwischengeschlechtliche Christiane Völling ihrenehemaligen Operateur anklagte, stiess auf ein grosses Medienecho undstellt für zwischengeschlechtliche Menschen einen Meilenstein imKampf für ihr Rechtauf körperliche Unversehrtheit und Würde dar.

Am 6.2.2008 wird nun das Urteil erwartet. Der Verein IntersexuelleMenschen e.V. ruft wiederum auf zur Demo vor dem Landgericht Kölnum 8:30 Uhr. >>> Mehr >>> Flugblatt zur Demo

Nicht zuletzt aufgrund des verstärkten öffentlichen Drucks beginnen die Mediziner nun langsam zurückzukrebsen. Leider reichts aktuell aber noch nicht zu einer grundlegenden Änderung der menschenrechtswidrigen Praxis der genitalen Zwangsoperationen.
Pünktlich zur Fortführung des Prozesses gegen den Chirurgen, der Christiane Völling verstümmelte, erscheint im schweizer Tages-Anzeiger vom 5. Februar 2008 ein Interview mit Karin Plattner, der Mutter eines zwischengeschlechtlichen Kindes und Präsidentin der schweizerischen Eltern-Selbsthilfegruppe. Darin schildert sie, wie es Eltern und Kind nach der Geburt erging.


WENN MEDIZINER ZU SEHR DRÄNGELN

Nach drei Wochen sagten uns die Ärzte, von den Chromosomen her sei es ein Knabe, aus dem eher weiblichen Genital könne man aber nie einen Buben machen. Darum sei eine Geschlechtsanpassung zum Mädchen angesagt.

Als erstes "entnahmen" die Mediziner "einen Monat nach Geburt die Geschlechtsdrüse [...], die für die Hormonproduktion im Körper verantwortlich ist, weil es hiess, sie sei entartungsgefährdet". Ausser in Ausnahmefällen zwar nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit als z.B. Prostata und Brüste bei normalen Männern und Frauen auch. Bloss kriegen das Eltern und Betroffene von Chirurgen nach gängiger Praxis nie gesagt.

das Verrückte war, dass uns die Ärzte lieb zuredeten, das seioperativ kein Problem, man könne da gut ein Mädchen daraus machen, undmit der entsprechenden Erziehung werde alles gut.

So schon mal halb weichgeklopft, sollen die Eltern als nächstes der Zwangszuweisung zustimmen. Doch für einmal kam es anders:

Kurz danach sagte man uns, bald folge der nächste Eingriff am Genital, um ein richtiges Mädchen aus dem Kind zu machen. Da begann ich Fragen zu stellen. Was heisst das? Gibt es vergleichbare Fälle?

Als ich herausfand, dass es nach der Operation des äusseren Genitals vielleicht nie Gefühle oder Lust empfinden kann, sagte ich, ja hallo, das geht zu weit. Wenn alles nur eine kosmetische Sache ist, kann ich nicht dahinter stehen. Dann soll mein Kind bleiben, wie es ist. Medizinisch ist das in unserem Fall absolut problemlos. Und später kann es selber entscheiden, ob es eine Geschlechtsanpassung machen lassen will oder nicht. [...] Hauptsache, sie fühlt sich wohl!


"CHIRURGISCHE HERAUSFORDERUNGEN"

Auch heute noch haben neugeborene Zwischengeschlechtliche meist weit weniger Glück, sprich werden nach wie vor möglichst rasch dem "gesamten Programm" unterzogen. Und wenn jemals, wie z.B. jetzt vor dem 2. Prozesstag in Köln, in der Öffentlichkeit die Kritik an Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen an Zwischengeschlechtlichen etwas lauter wird, beeilen sich die Mediziner zu versichern, mittlerweile sei das "alles ganz anders", diese grausligen Praktiken längst Vergangenheit. Heute würden die Mediziner nämlich ausnahmsweise auch mal 5 gerade bzw. ein uneindeutiges Genital unoperiert stehen lassen.

Noch ist man von der Anerkennung eines «dritten Geschlechts» weitentfernt. Aber immerhin, sagt der Endokrinologe Primus Mullis, «wächstunter den Ärzten die Bereitschaft, ein unbestimmtes Geschlecht aucheinmal sein zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt».Das Magazin 36/2007

Sprich gerade mal dann und nur dann, wenn ausserdem die Elten sich absolut quer und noch dazu auf den Kopf stellen. Und sonst nicht. Menschenrechte? Auch für solche? Wäre ja gelacht!

Kinderpsychiater Dieter Bürgin: «Ein intersexuelles Kind erschreckt uns, weil es unser Weltbild in Frage stellt. Darum besteht das Bedürfnis, möglichst bald eine klare Situation zu schaffen.» Komme hinzu, dass Kinderärzte entsprechende Operationen «als chirurgische Herausforderung sehen».

Eine "Herausforderung", der offensichtlich noch so mancher Mediziner nur zu allgern erliegt (sofern es sich nicht um sein eigenes Genital handelt, versteht sich). Immerhin, während Mediziner Schwöbel in der "Rundschau" noch fromm von der "Naturgewolltheit" der Zwangszuweisungen phantasierte, beginnt er mittlerweile verdächtig zurückhaltend zu formulieren -- auffallend eifrig drauf bedacht, den Schwarzen Peter sogleich weiterzureichen:

Marcus Schwöbel, Chefarzt der kinderchirurgischen Klinik Luzern, der bei rund 50 geschlechtszuweisenden Behandlungen beteiligt war, bestätigt dies. «Die Herausforderung ist aber nicht der chirurgische Akt an sich, sondern der Anspruch, für das Kind und seine Eltern den bestmöglichen Weg zu finden.» Es seien meist die Eltern, die dringend wünschten, das Kind einem Geschlecht zuzuordnen, er dränge niemals dazu.
Als ob Eltern generell befugt wären, ihren Kindern nach Belieben Körperteile ab- oder umschneiden zu lassen. "Hallo, Herr Doktor, ich hätte eigentlich lieber ein Kind ohne Arme und Stimmbänder!" -- "Kein Problem, erledigen wir sofort! Endlich mal wieder eine Herausforderung!"

Immerhin, den Pfusch an Christiane Völling finden auch Schweizer Mediziner krass:
Primus Mullis, Professor für Endokrinologie am Inselspital Bern begrüsst den Prozess in Köln: «Es ist eine Katastrophe, was diesem Menschen angetan wurde».
Hauptsache, nicht vor der eigenen Haustüre. Hauptsache, der Fall ist nur ein Einzelfall und es geht nicht ums Prinzip.



KLAR MENSCHENRECHTSWIDRIGE PRAKTIKEN


Dabei liegt die Menschrechtswidrigkeit der Zwangsoperationen klar auf der Hand und wird kaum zufällig von RechtsprofessorInnen und EthikerInnen seit Jahr und Tag immer wieder betont. Auch in der Schweiz. Die Zürcher Rechtsprofessorin Andrea Büchler, einmal mehr:
«Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der betroffenen Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden – ausser es ist lebensnotwendig.»
Der Abschaffung dieser menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen könnte nun Christiane Völlings Prozess endlich zum Durchbruch verhelfen. Besonders Chirurgen mit 50, 100, oder gar 200 oder noch mehr Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen auf ihrem Gewissen dürften sich im Geist die Rechnung schon mal gemacht haben, was sie ihre gesammelten Sünden in Franken und Euro vor Gericht so etwa kosten könnten ...

«Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff, den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch, müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu überdacht werden», sagt Schwöbel.

Nämlich, wie Schwöbel schon in der "Rundschau" verriet, dann müsste er sich in Zukunft zwei mal überlegen, ob eine solche Operation an einem Kind auch wirklich 30 Jahre lang "wasserdicht" sei. D.h. bis die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Auf gut Deutsch: Erst, wenn die Mediziner damit rechnen müssen, dafür gerichtlich belangt und verurteilt zu werden, werden sie keine Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen mehr durchführen. Vorher nicht. Dass die Verstümmelten meist ein Leben lang an den Zwangseingriffen leiden, kümmert sie in der Regel offensichtlich nicht -- oder zumindest zu wenig. In diesem Zusammenhang weiter auffällig, dass bei Zwangsoperationen die im Medizinerbetrieb sonst üblichen Nachuntersuchungen inkl. Erfassung der Sterblichkeit 5, 10, 20 Jahre usw. nach dem Eingriff traditionell ausbleiben. Anders wäre die "eklatant hohe" Behandlungsunzufriedenheit der Zwangsoperierten schon längst publik geworden.

Aktuell gibt es ein einziges Land auf der ganzen Welt, in dem Zwangoperationen für Zwischengeschlechtliche endgültig der Vergangenheit angehören. In Kolumbien beschloss 1998 das oberste Gericht, Zwangszuweisungen seien strafrechtlich zu verfolgen, mit dem Ziel, "Eltern zu zwingen, die Interessen ihrer Kinder über ihre eigenen Ängste und Sorgen um sexuelle Ambiguität zu stellen" (zit. n. Milton Diamond, unveröff. Manuskr., Forum 30.1.08).

Umso wichtiger wäre es, dass der Kölner Richter standhaft bleibt und dem Drängen der Mediziner-Lobby hinter den Kulissen nicht nachgibt. Auch wenn zu befürchten ist, dass er vor den Implikationen einer Verurteilung zurückschreckt und deshalb die Menschenrechte aller Zwangsoperierten auch der Zukunft einmal mehr mit Füssen tritt. Und so aus letztlich finanziellen Gründen ein kolossales Unrecht weiterbestehen lässt, das allein in Deutschland täglich ein weiteres Opfer fordert.



2. INTERDISZIPLINÄRES FORUM: DRUCK ZEIGT WIRKUNG


Am 30. Januar 2008 fand am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf UKE in Hamburg das "2. Interdisziplinäre Forum zur Intersexualität" statt. Neben Frau Prof. Hertha Richter-Appelt, der Leiterin der einladenden Hamburger Forschergruppe Intersexualität, die sich klar und fortschrittlich für die Bedürfnisse von Betroffenen aussprach, schlugen auch Mediziner positive Töne an. Dr. Gernot Sinnecker betonte beispielsweise die Selbstbestimmung Zwischengeschlechtlicher, machte diese jedoch letztendlich von der Akzeptanz der Eltern abhängig. Die Tatsache, dass er bei seinen Ausführungen bevorzugterweise "sollte" statt "muss" verwendete, hinterliess einen - altbekannten - zwiespältigen Eindruck. RA Dr. Oliver Tolmein, der bereits Michel Reiter in seinem Kampf um einen optionalen 3. Geschlechtseintrag für Zwischengeschlechtliche unterstützt hatte, wies u.a. (wie auch schon die Moderatorin Konstanze Plett z.B. 2001) einmal mehr darauf hin, dass das Einwilligungsrecht der Eltern für Kastrationen nicht gegeben ist. Die fachlich versierte zwischengeschlechtliche Claudia Kreuzer zeigte eindrücklich auf, mit welchen gesundheitlichen Problemen Zwischengeschlechtliche aufgrundpsychischer Traumatisierung, Kastration und contrachromosalerHormonersatztherapie leben müssen. Prof. Dr. Milton Diamond, der die gängige Praxis der Zwangszuweisungen seit den 90er Jahren nachdrücklich kritisiert, war extra aus Hawaii angereist. Er plädierte für eine Umbenennung von DSD in"Diversities of Sex Development und schloss mit den Worten: "Nature loves variety but society hates it. Cherish diversity!"
--> Bericht mit Fotos



ZWISCHENGESCHLECHTLICHE EHRTEN MILTON DIAMOND


Bewegender Höhepunkt der des 2. Forums bildete die Auszeichnung Milton Diamonds durch den Verein Intersexuelle Menschen e.V. für sein Jahrzehnte langes Engagement zum Wohle Zwischengeschlechtlicher (siehe Eingangsbild).
--> mehr in Kürze auf http://zwischengeschlecht.info



WARUM CHRISTIANE VÖLLING ZUR TRANSSEXUELLEN GEMACHT WERDEN SOLL


Christiane Völling fordert nicht nur Gerechtigkeit für das an ihr begangene Unrecht, sondern will auch die ihr mittels Skalpell aufgezwungene männliche Rolle für immer ablegen und gemäss ihrem biologischen Geschlecht als Frau leben. Sie beantragte deshalb unabhängig von der Strafanzeige gegen ihren Operateur a) beim Amtsgericht Köln eine Personenstands- und Vornamensänderung und stellte b) beim MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) einen Antrag für die chirurgische Wiederherstellung ihres Geburtsgeschlechts. Theoretisch in beiden Fällen eine Formsache.

Beide Anliegen stossen jedoch bei den zuständigen Behörden auf vehementen Widerstand: 18 Monate zieht sich die Personenstandsänderung beim Amtsgericht mittlerweile hin. Der Amtsrichter versucht Christiane Völling als Transsexuelle darzustellen, sie zu einer Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz zu drängen und den entsprechenden Begutachtungsprozess durchlaufen zu lassen.

Dieselbe Taktik verfolgt auch der MDK-Gutachter in Köln. Er versucht mit allen Mitteln, Christiane Völling Transsexualität unterzuschieben, trotz des klaren medizinischen Befundes AGS.

Dieses Vorgehen hat System: Mediziner schieben gerne eine ‚Identitätsstörung‘ vor, um Zwangsoperationen vertuschen zu können. Da Transsexualität medizinisch auch heute noch als ‚psychische Störung‘ gilt, schlägt diese Ausflucht zwei Fliegen mit einer Klappe.

Es geht – wie so oft – um Geld: Gelingt es dem MDK-Gutachter nicht, Christiane Völling eine ‚psychische Störung‘ unterzujubeln, müsste er eine Fehlbehandlung eingestehen. Dies ist aber nicht erwünscht, erst recht, da beim Landgericht Köln zur Zeit die Strafanzeige hängig ist.

Der MDK-Gutachter verlangt nun von Christiane Völling als Voraussetzung für die „Rekorrektur-OP“ die geänderte Personenstandsurkunde. Der Amtsrichter wiederum befindet, ohne vorherige Operation keine geänderte Personenstandsurkunde. Ein eingespielter medizinisch-bürokratischer Teufelskreis mit dem Ziel, ein Mediziner-Opfer abermals über den Tisch zu ziehen und mundtot zu machen. Nicht Gerechtigkeit soll das begangene Unrecht wieder gut machen, sondern neue Ungerechtigkeit das begangene Unrecht vertuschen!

--> mehr



NEUER ARTIKEL ÜBER CHRISTIANE UND DEN PROZESS ...


... in TERZ, der autonomen Stattzeitung für Politik und Kultur inDüsseldorf:
http://www.terz.org/texte/texte_0802/intersexualitaet.html

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Für die sexuelle und antispeziesitische Revolution! Frauen, Kinder und nichtmenschliche Tiere sind keine Objekte, kein Besitz des (weißen) Mannes! Für eine vegane, egalitäre, pansexuelle Gesellschaft!